Teil der Globensammlung der »Herzogin Anna-Amalia Bibliothek«

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  • 23. April, 2019 — Weimarer Schüler forschen in Wolfenbüttel

    Weimarer Schüler forschen in Wolfenbüttel, Wolfenbütteler in Weimar. Die Gesellschaft Anna Amalia Bibliothek e. V. (GAAB) und die Gesellschaft der Freunde der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel e.V. (GdF) unterstützen sie dabei.

    2019 waren die Weimarer bereits in Wolfenbüttel, wie immer betreut von Wilfried Seyfarth. Er ist Oberstudienrat am Gymnasium im Schloss in Wolfenbüttel, gleichzeitig Bibliothekspädagoge und seit 2007 Koordinator der Schülerseminare. Über das jüngste Schülerseminar in Wolfenbüttel schrieb er an die Bibliotheksfreundeskreise:

    Liebe GdF, liebe Frau Seemann, lieber Herr Behn,

    vom 19.–22. März haben 12 Schülerinnen Wolfenbüttel besucht, intensiv in der Herzog August Bibliothek zu ausgewählten Themen gearbeitet und die Ergebnisse ihren Wolfenbütteler Partnerinnen vorgestellt: »Lessing in Wolfenbüttel – Glück oder Unglück?«; »Individuation des Menschen in der Aufklärung«; »Ziele und Verfahrensweisen der Alchemie«; »Figur und Person: Beziehungen zwischen Amalie König und Lessings Figur der Recha aus seinem Drama »Nathan der Weise«; »Das Bild der Frau und des Kindes im 18. Jahrhunder«; »Gartenkunst und Landschaftsgestaltung im 18. Jahrhunder«.

    Die Arbeit in der Bibliothek wurde ergänzt durch ein umfangreiches Kulturprogramm, das die Weimarer Gymnasiasten des Schillergymnasiums mit ihrer Lehrerin Frau Waldow gemeinsam mit den Wolfenbüttelern Partnerschülerinnen erlebten.

    Die 20 Wolfenbütteler Schülerinnen des Gymnasiums im Schloss haben ihre Partnerinnen über die Geschichte Wolfenbüttels in Form von Filmen und Vorträgen informiert, die im Rahmen eines »Wolfenbüttel-Pedia«-Projektes entstanden sind.

    Die Arbeit in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek und das »Erlebnis« Weimar vom 03.–07. Juni werden in diesem Jahr für die Wolfenbütteler Gruppe besonders spannend und ertragreich sein, sind die Themen »Weimarer Klassik« und Goethes »Iphigenie« doch anspruchsvolle Themen für ihr kommendes Zentralabitur im Fach Deutsch.

    Besonderer Dank für die finanzielle Förderung gilt den Freundesgesellschaften beider Bibliotheken. Im Anhang finden Sie Fotos, die Eindrücke von der Arbeit in Wolfenbüttel vermitteln.

    Liebe Grüße
    Wilfried Seyfarth

    … wir freuen uns alle sehr auf Weimar im Früh-Sommer !

    Wilfried Seyfarth

  • 03. April, 2019 — Der Schriftsteller Peter Neumann und seine Entdeckungen in der HAAB

    • Peter Neumann © Dirk Skiba

    Peter Neumann lebt als freier Schriftsteller in Berlin und lehrt Philosophie an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Er wurde 1987 in Neubrandenburg geboren. Er hat in Jena Philosophie studiert, 2017 promoviert. Für seine Promotion und sein Buch »Jena 1800. Die Republik der freien Geister« hat er in der HAAB in Weimar recherchiert. Am 10.04.2019 stellte er das Buch in der HAAB vor. Maria Socolowsky (MS) sprach mit Peter Neumann (PN).

    MS Sie haben an der Friedrich-Schiller Universität 2007 zunächst ein Jahr Medizin studiert. Danach erfolgte der Wechsel zur Philosophie. Wie kam es dazu?

    PN (Lachend) Ich habe schon während des Physikums gemerkt, dass ich mich doch mehr für Goethes Farbenlehre interessiere als für den Chemie- und Physik-Vorkurs. Für Philosophie und Literatur hatte ich schon immer ein Gehör. Da lag der Wechsel nahe.

    MS In Ihrem Buch: »Jena 1800. Die Republik der freien Geister« widmen Sie sich einem Kreis junger Dichter, zu dem die Brüder Schlegel und deren Frauen, der Philosoph Schelling und der Dichter Novalis gehörten. Was hat Sie an diesen Menschen gereizt?

    PN Ich habe den Kreis um die Jenaer Frühromantik immer als ungeheuer lebendig empfunden. Anspruchsvoll in der Methodik, modern im Denken. Jena 1800: Das ist eine gesellschaftliche Utopie im Kleinen. Gemeinsam leben, denken und streiten, geht das – und wenn ja: wie?

    MS Sie haben in Jena studiert und promoviert, aber in Weimar gewohnt. Hatte das mit der Herzogin Anna Amalia Bibliothek zu tun?

    PN Zunächst war es eine ganz pragmatische Entscheidung, weil ich in Weimar eine schöne Wohnung gefunden habe. Jena ist da bekanntlich ein schwieriges Pflaster. Dass es am Ende insgesamt zwölf Jahre Thüringen geworden sind, hatte aber schon mit der HAAB zu tun. Für mich ist es die beste Bibliothek der Welt. Und ich sage das nicht nur aus einem irgendeinem falsch verstandenen Lokalpatriotismus heraus.

    MS: Warum das? Was schätzen Sie an der HAAB besonders?

    PN Ich habe die Bibliothek sehr liebgewonnen. Wo findet man eine Bibliothek, in der die Bibliothekarinnen einen mit Vornamen ansprechen, in der sich Freundschaften entwickeln. Ich habe das Klima in der Bibliothek immer als sehr offen empfunden. Man kommt sofort ins Gespräch, wenn man es möchte. Die HAAB ist ein funktionierender Mikrokosmos, in dem man zwei, drei Wochen verschwinden kann, ohne sich alleine zu fühlen. Und man kann produktive Pausen machen – im Park, im Innenhof, in den Sesseln im Bücherkubus.

    MS Haben Sie für das Buch »Jena 1800. Die Republik der freien Geister« vor allem in der HAAB gearbeitet?

    PN Ja. 80 bis 90 Prozent des Buches sind in der Bibliothek entstanden, 10 Prozent am eigenen Küchentisch. (Lachend) Nach den vielen Stunden im Lesesaal wollte ich zu Hause nicht auch noch am Schreibtisch sitzen, also musste meine kleine Küche herhalten.

    MS Welche besonderen Entdeckungen haben Sie bei Ihren Recherchen in der HAAB gemacht?

    PN Für das Buch brauchte ich viel Material, auch sehr abseitige Dinge – wie zum Beispiel einen Theaterkalender von 1800, in dem sich ein Stück über die »Physiognomie der Theatervorhänge« befand. Es ging um die Umbauarbeiten des Hoftheaters 1798 – ein barockes Logentheater, das zu einem modernen Theater umgestaltet wird. Das Alte ist vorbei, das Neue steht an der Schwelle. Im Theaterkalender wird der neue Theatervorhang beschrieben und man erfährt, dass die Figur der Dichtkunst als geflügelte Figur auf dem Vorhang angebracht war. Solche Funde sind ein Geschenk für ein erzählendes Sachbuch. Sie helfen ungemein, möglichst anschaulich zu beschreiben, wie der Theatersaal damals aussah.
    Eine andere schöne Geschichte ist die der Botenfrau, der Jungfer Wenzel. Sie hat große Teile des Briefwechsels zwischen Goethe und Schiller besorgt. Zweimal in der Woche ist sie von Jena nach Weimar und wieder zurückgelaufen und hat damit maßgeblich den Rhythmus der Korrespondenz bestimmt. Manchmal hat sie auch gewartet, bis die Antwort fertig war. In der Bibliothek habe ich Material über sie und auch ein Bild von ihr, eine Zeichnung, gefunden.

    MS Was haben Sie in der HAAB gelesen, wenn es einmal nicht um die Arbeit am Ihrem Buch ging?

    PN Neben meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni bin ich auch Lyriker. Ich fand es schön, dass die Romanbibliothek der HAAB nicht weit vom Lesesaal entfernt lag. Alles war griffbereit, wenn man es brauchte. Auf meinen Tisch im Lesesaal lagen dann immer ganz verschiedene Stapel – auf der einen Seite ein Stapel Bücher aus der Romanbibliothek, auf der anderen Seite ein zweiter mit Arbeitsmaterialien für mein Buch »Jena 1800. Die Republik der freien Geister«, und dann noch einer für das Tagesgeschäft.

    MS Anfang 2019 haben Sie den Ort und die Stelle gewechselt. Woran arbeiten Sie gerade?

    PN Im Januar habe ich an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg eine neue Stelle angetreten und mit meiner Habilitationsschrift begonnen. Im Prinzip habe nicht nur den Ort, sondern auch die Zeit, zu der ich forsche, gewechselt – von 1800 ins 20. Jahrhundert, obwohl es natürlich viele Problemlagen gibt, die sich kontinuierlich durchziehen. Das Thema meiner Habilitationsschrift lautet: »Was ist Zeitgenossenschaft?« – Ich untersuche, was es überhaupt heißt, sich in ein Verhältnis zu seiner eigenen Zeit zu setzen (auch um 1800 war das vielleicht das entscheidende Thema), und wie geschichtliche Gegenwart gerade vor dem Hintergrund von und in direkter Konfrontation mit realgeschichtlichen Totalitäts- und Ohnmachtserfahrungen, wie sie insbesondere das 20. Jahrhundert hervorgebracht hat, epistemisch in den Blick gerückt und darstellungstheoretisch bewältigt wird. Walter Benjamin, Adorno, Hanna Arendt und Siegfried Kracauer sind hier meine Referenzautoren.
    Außerdem arbeite ich gerade für fünf Monate in der Feuilleton-Redaktion der Wochenzeitung »Die Zeit« in Hamburg. Eine Stipendienauszeit, bevor es im Herbst wieder zurück an die Uni geht und ich auch die Arbeit am nächsten Sachbuch aufnehmen kann. Geplant ist diesmal kein Querschnitt, sondern gewissermaßen ein Längsschnitt durch die Zeit.

    MS Ich wünsche Ihnen für Ihre Arbeit viel Erfolg und danke Ihnen sehr für das Gespräch!

    Maria Socolowsky

  • 21. November, 2018 — Spendenaufruf: Bibliotheksmodell

    Wir als Gesellschaft Anna Amalia Bibliothek und als Herzogin Anna Amalia Bibliothek sind dankbar für die großartige Unterstützung, die der Bibliothek bislang und insbesondere nach dem Brand vom September 2004 zuteil wurde. Heute möchten wir mit einer neuen Bitte an Sie herantreten. Es geht um die Förderung eines ganz besonderen Projekts:

    Wir möchten die historischen Bauphasen, die verschiedenen Sammlungsräume und die weitgehend unsichtbaren Wegeführungen im Stammgebäude der Herzogin Anna Amalia Bibliothek sichtbar machen. Dies soll digital und mit einem Holzmodell im Maßstab 1:50 realisiert werden, das im Foyer öffentlich zugänglich sein soll und durch eine absenkbare Fassade Einblick in das Gebäudeinnere bietet.

    Das Projekt kann mit dem nach dem Brand federführenden Architekten Walther Grunwald und dem ihn bereits damals unterstützenden Modellbauer Thomas Looks umgesetzt werden und wird neue und überraschende Perspektiven auf das historische Ensemble und seine Sammlungsräume ermöglichen. Die Gesellschaft Anna Amalia Bibliothek e. V. unterstützt dieses Vorhaben der Herzogin Anna Amalia Bibliothek. Die verfügbaren Mittel reichen leider bei weitem nicht aus, um das Modell zu finanzieren. Wir würden uns daher sehr freuen, wenn Sie uns mit einer steuerlich abzugsfähigen Spende bei der Herstellung dieses einzigartigen Architekturmodells unterstützen könnten.

    Bitte spenden Sie zugunsten des Kontos der Gesellschaft Anna Amalia Bibliothek e. V. bei der Sparkasse Mittelthüringen:

    IBAN: DE76 8205 1000 0301 0404 00
    (Kennwort »Modell«)
    SWIFT-BIC: HELADEF1WEM

    Anette Seemann

  • 22. Oktober, 2018 — »Brandbücher | Aschebücher« – Erste Kunstausstellung im Studienzentrum der Herzogin Anna Amalia Bibliothek

    Die Schau »Brandbücher | Aschebücher« mit Bildern von Hannes Möller ist die erste Kunstausstellung im Studienzentrum der Herzogin Anna Amalia Bibliothek Weimar. Künftig sollen Wechselausstellungen auf künstlerische Weise auf die Sammlungen der Bibliothek aufmerksam machen. Die 40 Arbeiten in einer speziellen Mixed-Media-Technik, basierend auf Aquarell-/Gouache-Malerei auf Bütten, porträtieren geschädigte und zerstörte Bücher, die der verheerende Bibliotheksbrand 2004 hinterlassen hat. Die grauen Außenwände des Bücherkubus scheinen auf diese Ausstellung gewartet zu haben. Hannes Möller wurde 1954 in Niedersachsen geboren. Seit 1980 arbeitet er als freischaffender Künstler.

    Das Interview mit Hannes Möller (HM) führte Maria Socolowsky (MS).

    MS Sie haben »Brandbücher | Aschebücher« bemalt. Warum haben Sie sich mit diesen schwer gezeichneten Büchern, mit diesen Aschebüchern beschäftigt?
    HM Im Grunde als logische Entwicklung aus dem Bibliotheken-Projekt heraus. Ich habe schon vor über zehn Jahren angefangen, mich mit Büchern zu beschäftigen, zunächst vor allem mit den Gebrauchsspuren auf den Buchrücken und –schnitten. Das ist auch nach wie vor noch ein Thema. Und Weimar mit diesen zerstörten Büchern ist natürlich ein Thema, das man nicht auslassen kann, wenn man sich mit Büchern so intensiv beschäftigt, wie ich das seit zehn Jahren mache.

    MS Wie sind Sie vorgegangen? Wie ist ihre Arbeitsweise?
    HM Ich bin mit einer Digitalkamera hierhergekommen, habe die auf ein Stativ geschraubt. Ich habe die Bücher fotografiert und dann habe ich sie gemalt. Ich bin kein Fotograf, ich bin Maler. Mir ist diese Plastizität der Bilder wichtig. Und da kann ich mit der Malerei mehr, als ich mit dem Foto könnte. Für mich ist es essenziell, dass ich diese Bilder wirklich aufbaue, dass ich diese Farbschichten aufbaue. Dadurch erzeuge ich diese Plastizität. Bei diesen Brandbüchern noch einmal gesteigert durch den gemalten schwarzen Hintergrund. Dadurch tritt das Buch in den Vordergrund und aus dem Bild heraus. Was ich gelegentlich mache, ist, dass ich Weißhöhungen noch einmal mit einem Deckweiß herausarbeite. Auch mit vielen Farbschichten übereinander. Z. B. diese Mullbinden um die Brandbücher. Das ist deckendes Weiß. Bei einigen der Brandbücher fehlt der Buchrücken. Aber es ist immer noch erkennbar, dass es ein Buch ist. Das ist der Unterschied zu den Aschenbüchern. Basis ist Aquarell, hier mehr als da, aber auch überarbeitet mit Gouache.

    MS Wie haben sie die Bücher ausgewählt, die Sie gemalt haben?

    HM Rein künstlerisch ästhetisch. Der Inhalt der Bücher interessiert mich weniger, sondern: Wie wirkt das? Wie wirkt das auf mich? So eine Sammlung unterschiedlicher Spuren. Aber auch die unterschiedlichen Arten von Büchern. Hier (er zeigt auf ein Bild) ist das so, als würde man das Feuer im Buch sehen. Dann gibt es auch rote oder grüne Zettel, die oben aus dem Buchblock sprießen. Die sind für mich wie Pflanzentriebe. Ich glaube, diese Zettel sind verwendet worden, um unterschiedliche Kategorien der Schäden zu erfassen.

    MS Die Aschebücher aus der Herzogin Anna Amalia Bibliothek haben Sie nicht nur mit Aquarell- und Gouache-Farben, sondern auch mit Asche gemalt. Warum das?

    HM: Um eine möglichst große Authentizität herzustellen. Wenn ich mit dem Material der originalen verbrannten Bücher arbeite und das in die Bilder einarbeite, dann schaffe ich eine Nähe, die größer eigentlich nicht sein kann. Und es gibt noch einen weiteren Aspekt, nämlich den, dass diese eingearbeitete Asche, diese Aschefragmente, die größeren Teile, sich oftmals auch wieder ablösen aus dem Bild und dann in den Rahmen herunterrieseln. Die Auflösung dieser Bilder symbolisiert quasi die Auflösung der Bücher. Also mehr Nähe kann ich als Maler nicht herstellen zu den Originalbüchern.

    MS Was sagen Sie zu dem Ort der Ausstellung? Es ist der Bücherkubus im neuen Studienzentrum der Herzogin Anna Amalia Bibliothek und nicht die historische Bibliothek, in der die Bilder präsentiert werden.

    HM Wir haben ja quasi einen Wandfries für die Arbeiten gebaut. Mit diesem Fries wollte ich diesen Neubau umschließen. Die Brandbücher sind das Entree der Ausstellung. Der erste Teil der beiden Projekte. Dann folgen die Aschebücher, die sich um den Kubus herumziehen. Ich wollte mit den Aschebüchern die neuen Bücher umschließen und darauf hinweisen, dass wir aufpassen müssen mit dem, was wir an Wissen haben. Also hier umschließt die Kunst das Wissen.

    MS Ist das ein Ort, an dem Sie sich die Bilder dauerhaft vorstellen könnten?

    HM Im Prinzip ja. Sicher nicht in dieser Anzahl, aber einzelne Arbeiten, die eben darauf hinweisen, dass es da eine Verbindung gibt zu der Anna Amalia Bibliothek und dem neuen modernen Studienzentrum. So als Hinweis kann ich mir das sehr gut vorstellen, ja.

    MS Mitarbeiterinnen der Herzogin Anna Amalia Bibliothek haben Ihnen zur Eröffnung der Ausstellung einen Karton mit Asche von Büchern für weitere Bilder überreicht. Heißt das, Sie werden hier weitermachen?

    HM Ich denke ja. Ich denke, das wird sich weiterentwickeln. Ich habe noch einmal ganz viel Asche bekommen. (Er lacht) Ich habe richtig Asche gemacht als Künstler. Ich werde damit weiterarbeiten. Was das sein wird, das kann ich noch nicht sagen. Das wird sich noch entwickeln müssen. Aber es unglaublich faszinierend. Ich muss natürlich auch sagen, Morbidität ist unglaublich faszinierend, auch wenn man das in Weimar bei dieser Katastrophe vielleicht nicht gerne hört. Aber es hat einen Reiz. Und eine vage Idee, nicht ich habe, ist, nicht dieses Zerstörerische darzustellen, sondern etwas zu konstruieren aus dieser Asche, etwas aufzubauen. Eine Art Objekt vielleicht, dass ein Objekt aus der Asche entsteht. Aber genau kann ich das noch nicht sagen, das ist noch nicht spruchreif.

    MS Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg.

    Maria Socolowsky

  • 07. Oktober, 2018 — Die GAAB gratuliert Walther Grunwald zum 80. Geburtstag

    • Walther Grunwald | Foto ©Luise Müller-Hofstede

    Das Interview mit Walther Grunwald (WG) anlässlich seines 80. Geburtstags am 7. Oktober 2018 führte Annette Seemann (AS). Das Portrait fotografierte Luise Müller-Hofstede.

    AS Sie sind Architekt geworden, ich vermute: aus Leidenschaft?

    WG Ja, aus einer nie enttäuschten Leidenschaft, und sie geht auf meine Zeit als Schüler in Berlin Zehlendorf zurück, wo ich das Ausstellungsgebäude für moderne Kunst, das Haus am Wald, gesehen und fast jede Ausstellung dort besucht habe. In dem dazugehörigen Park war ein Freilufttheater. Dort habe ich Wilhelm Tell gesehen. Den Baum, in dem er saß, um seinen Pfeil abzuschießen, gibt es noch heute. Dass ich das in den letzten Kriegstagen teilweise zerstörte Haus am Waldsee eines Tages wieder aufbauen und restaurieren würde, habe ich nicht geahnt. Das kam gut 50 Jahre später.

    AS Was hat Sie beeindruckt und geprägt in diesem Sinne?

    WG Meine Liebe zur Architektur. Meine Kunstlehrerin Frau Thon glaubte an mich und hat mich gefördert. In der 12. Klasse sagte sie zu mir: »Sie müssen Kunst studieren.« Nun, Deutschland war zerstört, da ging es doch um Wiederaufbau. Und dann kam hinzu: Mein Vater war Banker. Für ihn war die Kunst zweitrangig, der gutbürgerliche Beruf stand im Vordergrund, ich habe mich also pro forma als Wirtschaftsingenieur immatrikuliert. Aber eigentlich studierte ich Architektur und wollte wiederaufbauen.

    AS Sie waren in Amerika, wann war das, wie lange und was haben Sie dort erlebt?

    WG 1964 direkt nach dem Diplom an der TU Berlin ging ich nach Amerika, genauer nach New York, Manhattan. Die berufliche Kariere war in Deutschland klar vorgezeichnet. Das war mir zu langweilig. In Amerika wollte ich ein Jahr Stahlbau studieren, schon wegen der Wolkenkratzer. Ich habe keinen Tag in New York studiert. In den ersten 11 Wochen arbeitete ich bei acht Architekturfirmen. In der achten Stellung blieb ich dann eineinhalb Jahre. Das war das Büro die Firma von Frederick Kiesler und Armond Bartos. Ich war dort der einzige Deutsche weit und breit. Ich fühlte mich aber nur als Berliner und Europäer Das wurde akzeptiert. 1967 habe ich in New York geheiratet. Dann war ich noch fast drei Jahre bei Philip Johnson Entwurfsarchitekt. Die sechs Jahre in New York waren sehr prägend. Danach arbeitete ich zwei Jahre in Pakistan, in Karachi, an einem UNDP- Entwicklungsprojekt. Es ging um Stadtplanung und Wohnungsbau.

    AS Zurück in Deutschland, erneut Berlin, was fanden Sie vor?

    WG Ich kam 1972 nach West-Berlin, das am Subventionstropf hing, zurück … Baupolitisch war alles sehr schwierig damals. In Zehlendorf sollte der Ortskern für eine Durchgangsstraße untertunnelt werden. Ein miserabel geplantes Projekt. Ich habe einen Gegenplan entwickelt und eine Bürgerinitiative gegründet. Das war 1974. Ich habe mit allen Beteiligten, den Parteien in der Bezirksverordnetenversammlung von Zehlendorf und beim Senat von Berlin gesprochen. Dann haben wir eine öffentliche Veranstaltung mit Presse gemacht, die war sehr erfolgreich. Die Parteien wollten aber von ihrem Tunnelprojekt nicht lassen. Wir gründeten eine Wählergemeinschaft Unabhängiger Bürger gegen das Tunnelprojekt. Das war der Beginn meiner sieben Jahre andauernden politischen Karriere. Die Wählergemeinschaft vereinigte bei der Kommunalwahl aus dem Stand 21,3 % aller Stimmen auf sich.

    AS Damals haben Sie sich wahrscheinlich nicht um die Sanierung historischer Gebäude kümmern können, aber wann ging das denn los?

    WG Mein erstes Objekt wurde ein Renaissanceschloss in Oberfranken, das saniert werden sollte.

    AS Woher haben Sie denn gewusst, wie so etwas geht?

    WG Learning bei doing, vor allem, ohne das Objekt zu zerstören. Es folgten viele Sanierungen, drei Schlösser, mehrere Wohngebäude, eine Töpferei. Ich habe nach New York nie wieder einen Neubau entworfen. Gleichwohl wollte ich eine neue Architektursprache in die alten Gebäude einführen.

    AS Kommen wir zu unserem Fall, der Sanierung der HAAB. Sie waren bereits vor dem Brand berufen worden, das historische Gebäude zu sanieren. Welchen Stellenwert hat dieser Bauauftrag innerhalb Ihres Lebenswerks?

    WG Ja, mein Büro mit Olaf Burmeister war im April 2004 für die Sanierung berufen worden. Schon das Berufungsverfahren, europaweit war ausgeschrieben worden, war das dramatischste, was ich je durchlief. Der Bauauftrag verlangte mir alles ab, was ich jemals gelernt hatte. All das ist in dieses Projekt geflossen. Es waren drei Ministerien involviert, die Klassik Stiftung und die gesamte beäugende Öffentlichkeit.

    AS Wir wissen, dass ein ungeheurer Zeitdruck auf Ihnen lag, mit dem Datum 24. Oktober 2007 Wiedereröffnung. Dieser vor dem Brand geplante Termin sollte unbedingt gehalten werden. Wie konnte die Rekonstruktion überhaupt gelingen?

    WG Es lag im Wesentlichen an der unglaublichen Einsatzbereitschaft meiner Mitarbeiter, an der herausragenden Zusammenarbeit mit allen Fachplanern und der Qualität der beteiligten Firmen. Wir bildeten zusammen ein einmaliges Team. Es gab keinerlei Intrigen wie sonst üblich. Wirklich, diese Aufgabe ist der Kulminationspunkt meines Architekturlebens gewesen.

    Annette Seemann | Foto ©Luise Müller-Hofstede