Teil der Globensammlung der »Herzogin Anna-Amalia Bibliothek«

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  • 22. Oktober, 2018 — »Brandbücher | Aschebücher« – Erste Kunstausstellung im Studienzentrum der Herzogin Anna Amalia Bibliothek

    Die Schau »Brandbücher | Aschebücher« mit Bildern von Hannes Möller ist die erste Kunstausstellung im Studienzentrum der Herzogin Anna Amalia Bibliothek Weimar. Künftig sollen Wechselausstellungen auf künstlerische Weise auf die Sammlungen der Bibliothek aufmerksam machen. Die 40 Arbeiten in einer speziellen Mixed-Media-Technik, basierend auf Aquarell-/Gouache-Malerei auf Bütten, porträtieren geschädigte und zerstörte Bücher, die der verheerende Bibliotheksbrand 2004 hinterlassen hat. Die grauen Außenwände des Bücherkubus scheinen auf diese Ausstellung gewartet zu haben. Hannes Möller wurde 1954 in Niedersachsen geboren. Seit 1980 arbeitet er als freischaffender Künstler.

    Das Interview mit Hannes Möller (HM) führte Maria Socolowsky (MS).

    MS Sie haben »Brandbücher | Aschebücher« bemalt. Warum haben Sie sich mit diesen schwer gezeichneten Büchern, mit diesen Aschebüchern beschäftigt?
    HM Im Grunde als logische Entwicklung aus dem Bibliotheken-Projekt heraus. Ich habe schon vor über zehn Jahren angefangen, mich mit Büchern zu beschäftigen, zunächst vor allem mit den Gebrauchsspuren auf den Buchrücken und –schnitten. Das ist auch nach wie vor noch ein Thema. Und Weimar mit diesen zerstörten Büchern ist natürlich ein Thema, das man nicht auslassen kann, wenn man sich mit Büchern so intensiv beschäftigt, wie ich das seit zehn Jahren mache.

    MS Wie sind Sie vorgegangen? Wie ist ihre Arbeitsweise?
    HM Ich bin mit einer Digitalkamera hierhergekommen, habe die auf ein Stativ geschraubt. Ich habe die Bücher fotografiert und dann habe ich sie gemalt. Ich bin kein Fotograf, ich bin Maler. Mir ist diese Plastizität der Bilder wichtig. Und da kann ich mit der Malerei mehr, als ich mit dem Foto könnte. Für mich ist es essenziell, dass ich diese Bilder wirklich aufbaue, dass ich diese Farbschichten aufbaue. Dadurch erzeuge ich diese Plastizität. Bei diesen Brandbüchern noch einmal gesteigert durch den gemalten schwarzen Hintergrund. Dadurch tritt das Buch in den Vordergrund und aus dem Bild heraus. Was ich gelegentlich mache, ist, dass ich Weißhöhungen noch einmal mit einem Deckweiß herausarbeite. Auch mit vielen Farbschichten übereinander. Z. B. diese Mullbinden um die Brandbücher. Das ist deckendes Weiß. Bei einigen der Brandbücher fehlt der Buchrücken. Aber es ist immer noch erkennbar, dass es ein Buch ist. Das ist der Unterschied zu den Aschenbüchern. Basis ist Aquarell, hier mehr als da, aber auch überarbeitet mit Gouache.

    MS Wie haben sie die Bücher ausgewählt, die Sie gemalt haben?

    HM Rein künstlerisch ästhetisch. Der Inhalt der Bücher interessiert mich weniger, sondern: Wie wirkt das? Wie wirkt das auf mich? So eine Sammlung unterschiedlicher Spuren. Aber auch die unterschiedlichen Arten von Büchern. Hier (er zeigt auf ein Bild) ist das so, als würde man das Feuer im Buch sehen. Dann gibt es auch rote oder grüne Zettel, die oben aus dem Buchblock sprießen. Die sind für mich wie Pflanzentriebe. Ich glaube, diese Zettel sind verwendet worden, um unterschiedliche Kategorien der Schäden zu erfassen.

    MS Die Aschebücher aus der Herzogin Anna Amalia Bibliothek haben Sie nicht nur mit Aquarell- und Gouache-Farben, sondern auch mit Asche gemalt. Warum das?

    HM: Um eine möglichst große Authentizität herzustellen. Wenn ich mit dem Material der originalen verbrannten Bücher arbeite und das in die Bilder einarbeite, dann schaffe ich eine Nähe, die größer eigentlich nicht sein kann. Und es gibt noch einen weiteren Aspekt, nämlich den, dass diese eingearbeitete Asche, diese Aschefragmente, die größeren Teile, sich oftmals auch wieder ablösen aus dem Bild und dann in den Rahmen herunterrieseln. Die Auflösung dieser Bilder symbolisiert quasi die Auflösung der Bücher. Also mehr Nähe kann ich als Maler nicht herstellen zu den Originalbüchern.

    MS Was sagen Sie zu dem Ort der Ausstellung? Es ist der Bücherkubus im neuen Studienzentrum der Herzogin Anna Amalia Bibliothek und nicht die historische Bibliothek, in der die Bilder präsentiert werden.

    HM Wir haben ja quasi einen Wandfries für die Arbeiten gebaut. Mit diesem Fries wollte ich diesen Neubau umschließen. Die Brandbücher sind das Entree der Ausstellung. Der erste Teil der beiden Projekte. Dann folgen die Aschebücher, die sich um den Kubus herumziehen. Ich wollte mit den Aschebüchern die neuen Bücher umschließen und darauf hinweisen, dass wir aufpassen müssen mit dem, was wir an Wissen haben. Also hier umschließt die Kunst das Wissen.

    MS Ist das ein Ort, an dem Sie sich die Bilder dauerhaft vorstellen könnten?

    HM Im Prinzip ja. Sicher nicht in dieser Anzahl, aber einzelne Arbeiten, die eben darauf hinweisen, dass es da eine Verbindung gibt zu der Anna Amalia Bibliothek und dem neuen modernen Studienzentrum. So als Hinweis kann ich mir das sehr gut vorstellen, ja.

    MS Mitarbeiterinnen der Herzogin Anna Amalia Bibliothek haben Ihnen zur Eröffnung der Ausstellung einen Karton mit Asche von Büchern für weitere Bilder überreicht. Heißt das, Sie werden hier weitermachen?

    HM Ich denke ja. Ich denke, das wird sich weiterentwickeln. Ich habe noch einmal ganz viel Asche bekommen. (Er lacht) Ich habe richtig Asche gemacht als Künstler. Ich werde damit weiterarbeiten. Was das sein wird, das kann ich noch nicht sagen. Das wird sich noch entwickeln müssen. Aber es unglaublich faszinierend. Ich muss natürlich auch sagen, Morbidität ist unglaublich faszinierend, auch wenn man das in Weimar bei dieser Katastrophe vielleicht nicht gerne hört. Aber es hat einen Reiz. Und eine vage Idee, nicht ich habe, ist, nicht dieses Zerstörerische darzustellen, sondern etwas zu konstruieren aus dieser Asche, etwas aufzubauen. Eine Art Objekt vielleicht, dass ein Objekt aus der Asche entsteht. Aber genau kann ich das noch nicht sagen, das ist noch nicht spruchreif.

    MS Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg.

    Maria Socolowsky